Immer wieder lese ich im Zusammenhang mit der Soziokratie und der KonsenT-Moderation, dass es dort eine Veto-Möglichkeit gibt.
Bei mir sträuben sich dann noch die vorhandenen Haare, weil es rund um den Begriff „Veto“ so viele Missverständnisse und wenig hilfreiche Assoziationen gibt.
Ich verbinde mit „Veto“ Blockarde, Stillstand, Abbruch, Ende der Diskussion.
Ich verbinde damit basisdemokratische Entscheidungen, bei denen eine Person das Recht hat, eine Entscheidung zu blockieren, im schlimmsten Falle willkürlich oder auch ohne Angabe von nachvollziehbaren Argumenten.
Das sind jetzt meine persönlichen Assoziationen, die natürlich nicht jeder teilen muss.
In vielen konsensualen Entscheidungenformen ist „Veto“ gleichbedeutend mit dem „schwerwiegenden Einwand“. Es kommt dabei nur zu einer Verzögerung, zu einem temporären Stopp-Signal und der Kreis oder die Versammlung bleibt weiterhin entscheidungsfähig. Das Veto öffnet einen Nachdenkraum und gemeinsam wird der Einwand auch integriert (vgl. Konsens – Handbuch zur gewaltfreien Entscheidungsfindung).
In dem Sinne ist „Veto“ okay.
Laut Wikipedia ist „Veto“ mit Einspruch zu übersetzen. Es wird unterschieden zwischen einem aufschiebenden Veto und einem absoluten Veto, das eine Entscheidung ganz verhindern kann. Bei beiden Bedeutungsvarianten fehlt ein konstruktives Verfahren der Integration der Einwände. Einspruch und dann?
In der Soziokratie gibt es ein Verfahren zur Einwandintegration, das sich bewährt hat. In meiner Praxis habe ich bisher zu 99% die Einwände integrieren können, häufig schon in der jeweiligen Sitzung, sonst innerhalb von einer Sitzungsperiode. Natürlich braucht es ein Miteinander-Wollen und ein gemeinsames Ziel. Schwierig wird es, wenn Personen partout nicht mitspielen wollen oder heimlich sabotieren. Da bleibt dann nur die Trennung von der jeweiligen Person (im Konsent).
Die Verwechslung von „Veto“ und mit dem absoluten Veto, das Fehlen eines Integrationsverfahrens und die vielen Assoziationen von Blockarde und Denken in Mehrheits-/Minderheits-Kategorien machen für mich den Begriff „Veto“ im Kontext von KonsenT oder Soziokratie schwierig.
Deshalb möche ich inständig bitten, auf das Wort „Veto“ zu verzichten und stattdessen vom „schwerwiegenden Einwand“ zu reden. Es ist quasi mein absolutes Veto zum Begriff „Veto“ :-).